Die sogenannte komprimierte Arbeitszeit kennt derzeit zwei Hauptmodelle: die 4-Tage-Woche und den 6-Stunden-Arbeitstag. Diese Arbeitszeitmodelle sollen Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöhen. Mehr zu den Vor- und Nachteilen der beiden Trends.
40h in 4 Tagen: Die Vier-Tage-Woche
Vier Tage in der Woche im Büro sitzen, drei Tage lang das Wochenende genießen: Genau das sieht das Modell der Vier-Tage-Woche vor. Pro Tag sind dann – laut Arbeitszeitgesetz (AZG) – 10 Stunden vorgesehen. Die Gesamtstundenanzahl in einer Woche darf aber 40 Stunden nicht überschreiten!
Worauf Sie achten sollten:
⭙ Betriebe dürfen die 4-Tage-Woche nur dann einführen, wenn sie allen Mitarbeitern zugänglich ist. Wichtig: Anbieten – nicht aufzwingen!
Die vier Arbeitstage müssen nicht aufeinander folgen. Ihre Mitarbeiter können etwa Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag arbeiten, der Mittwoch wäre dann frei.
⭙ Erhöhter Arbeitsbedarf? Stimmen Ihre Mitarbeiter freiwillig zu, darf die Arbeitszeit auf 12 Stunden pro Tag ausgedehnt werden. Diese zählen nicht als Überstunden!
Eine Absage Ihrer Mitarbeiter darf aber nicht zur Benachteiligung bezüglich ihres beruflichen Fortkommens, Entgelts, ihrer Aufstiegsmöglichkeiten oder Versetzung führen.
⭙ Ein Arbeitsmediziner muss die Unbedenklichkeit des Modells für Ihren Betrieb bescheinigen!
Ihre Mitarbeiter können ein Zweitgutachten von einem weiteren Arbeitsmediziner einfordern, das innerhalb von fünf Arbeitstagen einzulangen hat – dabei müssen beide Gutachten die Unbedenklichkeit der 4-Tage-Woche bescheinigen!
⭙ Sie können die 4-Tage-Woche einführen, wenn sie im entsprechenden Kollektivvertrag vorgesehen ist – durch Betriebsvereinbarungen oder (in Firmen ohne Betriebsrat) durch schriftliche Einzelvereinbarungen.
⭙ Ist es organisatorisch und strukturell möglich, Ihren Betrieb auf die Vier-Tage-Woche umzustellen?
Vor allem in Betrieben die intensiven Kundenkontakt pflegen, könnte ein Wochentag, an dem man nicht erreichbar ist, Kunden vor den Kopf stoßen.
Tipp: Teilen Sie Ihre Mitarbeiter in zwei Teams, die an unterschiedlichen Wochentagen Dienst haben. Etwa Team A von Montag bis Donnerstag und Team B von Dienstag bis Freitag. So bleibt Ihr Büro erreichbar.
28h in 5 Tagen: 6-Stunden-Tag
Was ich in 8 Stunden erledige, geht auch in 6! In diesem Modell wird die Arbeitszeit nicht nur umverteilt, sondern tatsächlich gekürzt. Die 40 Stunden werden auf 30 reduziert – bei gleich bleibendem Lohn. Man spricht auch von „komprimierter Arbeitszeit“.
Die Grundannahme ist (ähnlich der 4-Tage-Woche), dass Ihre Mitarbeiter durch mehr Freizeit ausgeglichener, weniger oft krank und produktiver sind.
Der Büroartikellieferaten Viking befragte 242 österreichische Arbeitnehmer zum Thema „Flexibel Arbeiten“.
Das Ergebnis: 75% sprachen sich für die Umstellung auf den 6-Stunden-Tag aus.
Versuchsmodelle des 6-Stunden-Tag in Göteborg
Das Jahr 2015: Aufruhr in den Medien.
Schweden startet einen zweijährigen Versuch zum 6-Stunden-Arbeitstag in einem Pflegeheim. Die Mitarbeiter arbeiten 6 statt 8 Stunden – und werden trotzdem gleich entlohnt!
Nach zwei Jahren dann das Ergebnis: Die Mitarbeiter waren deutlich glücklicher und gesünder, es gab weniger Krankenstände und die Arbeitsqualität stieg erheblich.
Weniger erfolgreich sah es jedoch mit den Finanzen aus: durch die notwendigen Neuanstellungen von Pflegern verursachte das Projekt 1,2 Millionen Euro an zusätzlichen Kosten. Das Projekt war insgesamt zu kostspielig und wurde schließlich abgebrochen.
Im Falle eines ebenfalls in Göteborg angesiedelten Toyota-Herstellers hat sich das Modell bewährt.
Warum hat es in diesem Fall geklappt?
Mitarbeiter waren ab 6 Stunden Arbeit täglich nicht mehr produktiv; Krankenstände standen an der Tagesordnung. Durch die verkürzte Arbeitszeit stieg die Produktivität so weit an, dass die zwei Stunden ausgeglichen werden konnten.
Das Ergebnis war ein voller Erfolg: weniger Krankschreibungen und erhöhte Produktivität.
Das Modell lässt sich also nur durchsetzen, wenn die gesteigerte Produktivität der Belegschaft die Mehrkosten kompensieren kann.
In den USA (Tower Paddle-Boards) und in Deutschland (etwa in der Agentur Digital Enabler) wurde das Modell ebenfalls bereits erfolgreich erprobt. Auch in Österreich wurden derartige Versuche gestartet, so in Tirol. Derzeit debattiert das Land jedoch über ein genau gegenläufiges Modell – den 12-Stunden-Tag.
Komprimierte Arbeitszeit hat nur dann einen Sinn, wenn…
✓ … die anfallende Arbeit trotzdem erledigt werden kann! Dazu müssen Arbeitsprozesse optimiert werden, etwa durch straffere Meetings, mehr Struktur und verbesserte Abläufe im Büro. Gute Tricks gegen Zeitfresser im Büro finden Sie in unserem Blog-Beitrag.
✓ … sie in Ihrer Branche funktioniert. Im Gesundheitsbereich müsste bei weniger Arbeitszeit das Personal aufgestockt werden, da z.B. die Pflege rund um die Uhr verfügbar sein muss. In der Kreativbranche nicht unbedingt. Überlegen Sie deshalb gründlich, ob die Arbeiten in Ihrer Firma auch in 6 Stunden zu bewältigen wären.
✓ … die Arbeit derart beschaffen ist, dass die Belegschaft nach 6 Stunden Arbeit nicht mehr effizient und konzentriert arbeiten kann (weil etwa körperlich zu anstrengend oder die Konzentration erheblich nachlässt).
✓ … die Anstellung weiterer Mitarbeiter durch gesteigerte Produktivität vermieden werden kann bzw. durch die erhöhte Produktivität.
Sie Sind bereit für die komprimierte Arbeitszeit?
Unser letzter Tipp: Führen Sie den 6-Stunden-Tag zunächst als Versuchsmodell über einen abgesteckten Zeitraum ein. Eine solche Testphase kann Aufschluss darüber geben, ob die komprimierte Arbeitszeit in Ihrem Betrieb sinnhaft ist!
Weitere interessante, flexible Arbeitszeitmodelle finden Sie in unserer Übersicht.