Mag. Branco Jungwirth, Anwalt für Arbeitsrecht, verrät, worauf Sie bei Kündigungen im Krankenstand bei Arbeitern und Angestellten achten sollten.

Darf man das? Entlassung & Kündigung im Krankenstand

Tina Hinterhofer / 18. September 2018

Die Kündigung im Krankenstand: Viele Arbeitgeber schrecken davor zurück, in dem Glauben, Arbeitnehmer wären unkündbar in solchen Fällen. Wann und weshalb ein Arbeitsvertrag von krankgeschriebenen Mitarbeitern gelöst werden darf, erfahren Sie hier.

Die Kündigung im Krankenstand

Wie bereits im Beitrag Die 3 Phasen der Kündigung, die Sie unbedingt einhalten sollten erwähnt, darf eine Kündigung immer und ohne Angabe von Gründen ausgesprochen werden.

Natürlich gelten auch hierbei die gesetzlichen Kündigungsfristen und Formalitäten!

Wenn der Krankenstand über die Kündigungsfrist hinausgeht, muss das Gehalt bis zum Ende des Krankenstandes bzw. bis zum Ende der Entgeltfortzahlungspflicht ausbezahlt werden.

Entgeltfortzahlungspflicht (EGFZ)

Seit 01.07.2018 gelten für Arbeiter und Angestellte dieselben Bestimmungen für die Entgeltfortzahlung:

Dienstdauer EGFZ-Anspruch bei Krankheits- bzw. Unglücksfällen EGFZ-Anspruch bei Arbeitsunfällen bzw. Berufskrankheiten
bis       1 Jahr   6 Wochen voll, 4 Wochen halb   8 Wochen
über   1 Jahr   8 Wochen voll, 4 Wochen halb   8 Wochen
über 15 Jahre 10 Wochen voll, 4 Wochen halb 10 Wochen
über 25 Jahre 12 Wochen voll, 4 Wochen halb 10 Wochen

Mehr dazu hier.

In wiederholten Krankheits- bzw. Unglücksfällen besteht nur dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn diese noch nicht ausgeschöpft wurde. Die Möglichkeit zur EGFZ gibt es hier erst wieder ab Beginn des neuen Arbeitsjahres.

Bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten entsteht kein erneuter Anspruch durch Beginn eines neuen Arbeitsjahres!

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Was versteht man eigentlich unter „krank“?

Krankheit wird in der Judikatur als ein „regelwidriger“ Körperzustand (sowohl physisch als auch psychisch) bezeichnet, der verhindert, dass die Arbeitsleistung erbracht werden kann.

Der Begriff des Krankenstandes wird gemäß § 1154b Abs. 1 ABGB definiert.

Welche Pflichten hat der Arbeitgeber?

Entgeltfortzahlungspflicht gemäß dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EGFZG).

Besondere Fehlzeiten – wie Elternkarenz, Pflege- oder Sonderurlaub – müssen gesondert im Kollektiv- oder Arbeitsvertrag geregelt werden, ansonsten entfällt die EGFZ in diesen Fällen.

Wenn Sie nach der ersten Bescheinigung keine weiteren Bestätigungen über die Verlängerung des Krankenstandes fordern, bleibt das Recht des Mitarbeiters auf Entgeltfortzahlung bestehen!

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Kontrollen dürfen nur vom behandelnden Arzt oder dem Versicherungsträger durchgeführt werden.

 Der Krankenstand darf nicht vom Arbeitgeber oder vom Betriebsarzt geändert (verlängert oder verkürzt) werden.

 Sogenannte Anwesenheitsprämien (Geld für längere Gesundheitsphasen) sind sittenwidrig und nichtig!
Der zuständige Arzt: Kündigung im Krankenstand, einvernehmlich, Entgeltfortzahlung, Krankenstandsbestätigung, Krankmeldung, Gesundmeldung, Angestellte, Arbeiter

Frage an den Arbeitsrechtsanwalt: Wie sieht die rechtliche Lage bei einer Kündigung im Krankenstand aus?

Mag. Branco Jungwirth: Die Kündigung im Krankenstand ist zulässig, sofern die Krankheit Ursache dafür ist, dass der Arbeiter seine geschuldete Leistung nicht mehr erbringen kann.

Das Problem bei Kündigungen im Krankenstand ist, dass die Rechtsprechung immer darauf abzielt, ob zukünftig erhöhte Krankenstände zu erwarten sind.

Die Frage ist dabei also nicht, wie viele Krankenstände der Arbeitnehmer in der Vergangenheit hatte, sondern, ob zukünftig mit vielen Krankenständen zu rechnen ist.

Das ist für den Arbeitgeber natürlich problematisch. Erstens weiß er grundsätzlich nicht immer, welche Krankheit der Arbeitnehmer genau hat und schon gar nicht, wie die Zukunftsprognose sein wird.

Das führt oft dazu, dass vom Arbeitgeber nach sehr langen Krankenständen des Mitarbeiters die Kündigung ausgesprochen wird und sich dann herausstellt, dass zukünftig mit keinen Krankenständen mehr zu rechnen ist.

Hier würde der Kündigungsgrund, nämlich, dass der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen kann, nicht vorliegen und die Kündigung wäre im Fall einer Anfechtung rechtsunwirksam.

Leithammel-Tipp: Falls möglich, sollten Arbeitgeber eine einvernehmliche Dienstauflösung anstreben. Dadurch entfallen die EGFZ-Kosten; der Mitarbeiter kann hingegen Krankengeld von der Gebietskrankenkasse weiterbeziehen.

Die einvernehmliche Lösung ist formfrei und fristlos.

Welche Pflichten hat der Dienstnehmer?

Eine Dienstverhinderung ist ohne Verzug melden.

Auf Verlangen des Dienstgebers muss eine Bestätigung der zuständigen Krankenkasse bzw. des Amts- oder Gemeindearztes vorgelegt werden (= Krankenstandsbestätigung)

Diese Krankmeldung muss Ursache und Dauer (voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit und künftige Kontroll- und Therapietermine) beinhalten. Der Arbeitgeber muss nicht über die Art der Erkrankung informiert werden!

Die Gesundschreibung durch den Kontrollarzt ist ohne Verzug zu melden.

Achtung! Kommt der Mitarbeiter diesen Pflichten nicht nach, entfällt für die Dauer der Versäumnis sein Anspruch auf Entgeltfortzahlung!

Frage an den Arbeitsrechtsanwalt: Welchen Tipp würden Sie Arbeitgebern für Kündigungen im Krankenstand geben?

Mag. Branco Jungwirth: Eine Kündigung während eines Krankenstandes sollte reichlich überlegt sein. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, im Krankenstand mit dem Arbeitgeber zu kommunizieren!

Grundsätzlich ist er nur dazu verpflichtet, eine ärztliche Bestätigung vorzulegen, aus der die voraussichtliche Krankenstandsdauer hervorgeht. Da die Ärzte aber meist nur zwei bis drei Wochen krankschreiben, gibt es häufig keine langfristigen Prognosen.

Wenn möglich, sollte man versuchen, im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter ein Gespräch zu führen. Darüber, ob erwartet wird, dass er länger krank ist, ob er eine eventuelle Wiedereingliederungsteilzeit machen möchte oder aber, ob er sich eine einvernehmliche Auflösung vorstellen kann.

Weiterführendes zu den Themen Verwarnung, Kündigung und Entlassung erfahren Sie in unseren Blog-Beiträgen.

Die Entlassung im Krankenstand

Die Unterlassung der Krankmeldung ist an sich noch kein Entlassungsgrund! Sollte der Mitarbeiter den Arbeitgeber in den ersten Tagen in Unkenntnis lassen, so wird dies normalerweise durch eine Entgeltminderung sanktioniert.

Frage an den Arbeitsrechtsanwalt: Der Arbeitnehmer hält keinen Kontakt zum Arbeitgeber und legt keine ärztliche Bescheinigung vor. Was tun?

Mag. Branco Jungwirth: Wenn der Mitarbeiter keine Bestätigung vom Arzt schickt, wie lange der voraussichtliche Krankenstand dauern wird, dann könnte unter Umständen das Gericht zu dem Verständnis kommen, dass dem Arbeitgeber die weitere Beschäftigung nicht zumutbar ist (= Abwägung der Zumutbarkeit der Kündigung).

Hierzu gibt es eine Entscheidung, dass, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber nicht ordnungsgemäß über die voraussichtliche Dauer des Krankenstandes informiert, daraus eine Unzumutbarkeit für eine Beschäftigung entstehen kann.

Entlassungsgründe wären etwa:

Vertrauensunwürdigkeit gemäß § 27 Z 1 AngG bei Angestellten

Beharrliche Pflichtverletzung gemäß § 42 lit f Fall 2 GewO 1859 bei Arbeitern

Handlungen des Dienstnehmers, die der Genesung abträglich sind (führen aber meist nur zur Einstellung des Krankengeldbezuges).

Pillen, GIps und Co: Der Krankenstand und die Entlassung und Kündigung im Krankenstand: Kündigung im Krankenstand, einvernehmlich, Entgeltfortzahlung, Krankenstandsbestätigung, Krankmeldung, Gesundmeldung, Angestellte, Arbeiter


Arbeitsrechtsanwalt Mag. Branco Jungwirth Neuerungen im ArbeitsrechtNach einer erfolgreichen Laufbahn als Kongressmanager absolvierte Mag. Branco Jungwirth das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien.

Von 2006 bis Ende 2010 war er bei der Rechtsanwaltskanzlei Grießer Gerlach Gahleitner als Rechtsanwaltsanwärter beschäftigt und von Anfang 2011 bis Ende 2017 war er Partner bei der Kanzlei Gerlach Rechtsanwälte GesbR.

Anfang 2018 gründete er die Rechtsanwaltskanzlei Branco Jungwirth. Für dieWeiterbilder hält er regelmäßig Seminare zum Thema Arbeitsrecht.

Sein Schwerpunkt liegt im Arbeitsrecht, wobei er sowohl die Interessen von Arbeitgebern als auch von Arbeitnehmern vertritt.


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